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Kashima in English

Tantra Massage – Ein Erfahrungsbericht

Am Anfang war der Rückenschmerz.

Ein Ziehen, ein Brennen, manchmal wie ein krampfartiger Überfall. Noch öfter schlicht getarnt als „Alterserscheinung“. 
Gut, sagt man sich. Damit muss man sich arrangieren. Das ist nun mal so. Finde man sich damit ab! 
Dann nimmt man wahr, dass die Leistungsfähigkeit leidet. Allerlei Tun, das früher kein Problem war, stellt plötzlich eine Herausforderung dar. Die Arbeit, der gelegentliche Sport, morgens aufstehen, überhaupt stehen.
Sex! Spätestens an diesem Punkt hört der Spaß auf. Wörtlich!

Von nun an ist Kriegszustand. So geht das nicht weiter! Wozu gibt es das Internet, wozu das hochgelobte deutsche Gesundheitssystem, wozu tausende niedergelassene Physiotherapeuten, wozu, und nicht zuletzt, Masseure und Massagen?! 
Man gürtet sich und präpariert sich dem Feinde Schmerz zu begegnen.

So, jedenfalls, war es bei mir.

Nicht im Traum hätte ich voraussehen können, was mir dann tatsächlich begegnete.

Dabei fing alles ganz harmlos an. Zweimal die Woche Physiotherapie, Dehnen, Strecken und Muskeltraining. Massagen auch, und viel im Wasser tollen. Solange ich glaubte, dass all dieses hilft, half es auch. Kein Zweifel.

Doch irgendwann wachte ich auf, und wollte wissen!

Das Schöne an Suchmaschinen ist, dass sie sich merken, wonach man sucht. 

An einem verregneten Sonntag fiel mir ein Wort vor die Füße, das ich vorher überlesen hatte. Tantra Massage.
Na klar, dachte ich, esoterischer Krempel im besten Falle, ein anderes Wort für käuflichen Sex, im schlimmsten. 

Nichtsdestoweniger, und weil es ja regnete, begann ich auf einer Tantra-Massage-Seite zu lesen. 
Der Name gefiel mir. Kashima. Das klang nach Sonne, nach Licht. 

Eine Tantra Massage ist für Körper und Geist

Ich fand unerhörte Worte. Worte wie YoniLingamBeckenbodenmassage und viele mehr. Neugierig geworden recherchierte ich weiter und weiter, völlig überrascht von der Vielfalt meiner neuen Entdeckung. 
Noch skeptisch, aber guten Mutes, beschloss ich, mir die Sache mal anzusehen. Wirkungsloser als meine bisherigen Versuche konnte es ja nicht sein, oder?

Ein wahreres Wort hatte ich mir nie zuvor gesagt.

Meine allererste Tantra Massage hätte beinahe nicht stattgefunden. Es war ein Montag, und ich hatte Angst. Immerhin würde ich nackt sein. Die Masseurin auch. Fremd wir beide.

Nun sind sich Angst und Erregung ja ähnlich. Sogar in gewissem Sinne das Gleiche. 

Mit etwas seelischem Aufwand warf ich die Angst über Bord, und konzentrierte mich auf die Erregung. Doch kaum hatte ich die Räumlichkeiten des Kashima betreten, fiel auch diese langsam von mir ab.

Es war eine andere Welt hinter dieser gewöhnlichen Berliner Wohnungstür. Unwillkürlich erinnerte ich mich an das Wort Ritual, das ich gelesen hatte. Ich trat ein, und es begann.

Um diese rituelle Energie zu begreifen, stelle man sich Folgendes vor: 

Es war ein typischer Tag. Arbeit, etwas Stress, etwas Langeweile. Kaffee und Croissants. Unfreundliche Verkäuferinnen, riechende Leute in der Bahn. Was soll’s? Man ist ja gleich zu Hause! Da ist die Tür, die öffnet sich wie ganz von selbst. Da ist mein Kleiderständer, hier mein Schuhschrank. Mein Teppich und das Sofa, und es sagt: Willkommen, alter Freund. Und der Duft von mir ist hier, und von allem, das ich bin. Ein Ritual beginnt, ein Tanz des Friedens, beinah‘ unbewusst.

Begrüßungen im Alltag sind uns so geläufig wie Nase putzen im Winter. Wir tun es. Es gehört dazu. Höflichkeit und Hygiene gebieten es.

Als sich die Tür des Kashima hinter mir schloss, passierte etwas Anderes: 

Ich fühlte mich, als wäre wirklich ich gemeint. Obwohl ich voller Erwartung steckte, Unsicherheit auch, und noch immer scheue Erregung, war ich plötzlich ich. 

Die Wärme, das Lächeln, die offenbare Fürsorge um mein Wohlbefinden waren schlicht und unglaublich beruhigend. Ich kam nach Hause.

Damit sind die Vergleiche des Heimkommens jedoch vorerst erschöpft. Denn anders als zu Hause geschieht in dieser Sphäre nichts zufällig, nichts ohne besondere Aufmerksamkeit. 
Schon das Entkleiden empfand ich wie eine gewisse Befreiung. Tatsächlich ließ ich mit Stiefeln, Mantel und Schal meine Rüstung zurück. Im Anschluss entledigte ich mich nicht meiner Hosen, Hemd und Unterwäsche, sondern all dessen, was an Furcht und Ungewissheit noch verblieben war. Ein Spiegel an der Wand sprach die berühmten Worte, und, ja!, ich fand das auch, und lächelte.

Die erste Berührung traf mich, natürlich, unvorbereitet. Ich ertappte mich bei lustvollen Gedanken, und versuchte sie zu unterdrücken. Noch immer staune ich über die Wahrnehmungsfähigkeit der Masseurin, denn sie bemerkte das sofort, und lachte leise. 
Sie begann mit verbindenden Berührungen, und in Sekunden hatte ich begriffen, dass hier keine Scham ist, keine Beschränkung der eigenen Gefühle. Endlich völlig loslassend wurde ich im Innern still, und vergaß die Zeit. Ich glaube noch immer: Das war bewusst das erste Mal in meinem Leben.

Dieses Zulassen, diese Entwaffnung, so weiß ich heute, war der notwendige Schritt überhaupt zu empfinden, zu begreifen, was hier vor sich ging. Ohne Öffnung hätte ich die nächsten zwei Stunden sicher sehr angenehm verbracht, jedoch wohl eher wie in der Badewanne oder in der Sauna. 
Erst meine vermeintliche Verletzlichkeit, Nacktheit und Ergebung in das Jetzt machten sie zu einer Reise zu seltsam unbekannten Orten in meinem Körper. Obwohl nicht gänzlich ungebildet in physisch-energetischen Gesetzmäßigkeiten, überraschte mich die Komposition aus Reflexlehre, Anatomiekenntnis und erstaunlichem Wissen um Energie- und Pressurpunkte.

Und eine Komposition war es allerdings! Von Instrument und Notenblatt wurde ich nach und nach zur Symphonie, und, meine ganz eigene Musik hörend, gewann ich eine völlig neue Vorstellung von Sinnlichkeit. Die Fähigkeit der Masseurin, alle Bestandteile, jedes Stadium, der Tantra Massage im Fluss zu halten, machten mir klar, dass das Ganzheitliche im Tantra nicht nur den ganzen menschlichen Körper meint, sondern auch den Vorgang an sich. 
Man mag in der Berührung von Händen und Füßen zwei Teile eines Prozesses sehen, von Beckenboden oder Prostata zu Yonioder Lingam verschiedene Stadien, doch empfinden konnte ich lediglich eine einzige, umfassende, äußerst invigorierende Entdeckung jedes einzelnen Verstecks meines Körpers. Von Anfang bis Ende. 
Die Erweckung sexueller Energie, obwohl sie sich bei diesem ersten Mal sehr bald einstellte, empfand ich eher als Freude und Kraft, anstelle von Begehren und Lust. 

Auch dies war etwas völlig Neues, denn herkömmlicherweise kann eine anhaltende Erektion als etwas Unangenehmes wahrgenommen werden. Noch erstaunter war ich über das Ausbleiben einer Ejakulation, oder, besser gesagt, darüber, dass es mir nichts ausmachte. Was ich erlebt hatte war viel mehr als die Reise zu einem Höhepunkt. Es war eine Begegnung. Eine Begegnung nicht mit dem Feinde Schmerz, sondern mit dem Freunde Ich.

Seitdem habe ich viele Tantra Massagen besucht, genossen und studiert. Einige Jahre vergingen mit mehr oder minder intensiver Beschäftigung mit dem Thema, und es überraschte mich persönlich überhaupt nicht, dass ich plötzlich das Bedürfnis verspürte, die Massagen selbst erlernen. Der Rückenschmerz war längst Schnee von gestern. Ich war freimütiger und weniger überheblich gegenüber meiner Umwelt geworden. Allerlei Ängste und ein gewisser Jähzorn verflüchtigten sich jetzt im Umgang mit Problemen des Alltags. 

Und, jawohl! ich hatte mich zu einem besseren Liebhaber entwickelt, und folgerichtig war es nun einfacher für andere, mich zu lieben. 
Als der Entschluss einmal gefasst war, wandte ich mich naheliegenderweise an das Kashima. Die hier empfohlene  Tantra-Massage-Ausbildung stellte mich nochmals vor extreme Herausforderungen. 
Doch, wie schon bei meiner ersten Begegnung, Offenheit und Zulassen des Selbst, Erkennen und Begrüßen des Jetzt, zerbrachen die Barrieren, die Sperrbezirke in mir, zu unnützen Fragmenten des Gestern.

Obwohl ich nun selbst Tantra praktiziere (eine Tätigkeit, wie sie befriedigender nicht sein könnte, wenn man einmal sich selbst begegnet ist!), oder gerade deshalb, denke ich noch oft an dieses erste Mal, diese lange, tiefe Reise zu mir. 

Dahin, wo ich wohne, und vorher noch nie war.

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